Resonanzen

Dr. Rosa Zubizaretta

11. November 2025

Resonanzraum sein

Neulich hatten wir bei DF e.V. einen Abend zum Thema "Zuhören" als einem zentralen Element von Dynamic Facilitation. Referentin war Rosa Zubizaretta, die zusammen mit Matthias zur Bonsen mit dem Buch "Dynamic Facilitation" wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Methode im deutschsprachigen Raum Verbreitung gefunden hat. Ich durfte Rosa im Frühjahr beim Dynamic Facilitation Deep-Dive kennenlernen und ihre unglaubliche Art, sich ganz dem Zuhören hinzugeben.

Beim DF-Talk hatte ich die Ehre als Übersetzerin zu fungieren. Rosas Vortrag zu übersetzen war für mich dann eine besondere Erfahrung im Zuhören, denn genau das tut man beim Übersetzen: Resonanzraum sein, zuhören was die andere sagt, um es dann genau so wiederzugeben. Nicht um darauf zu antworten, nicht um meine Perspektive dagegen zu setzen, nicht um "ja, aber" zu sagen - einfach nur, um den anderen Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, das was Rosa gesagt hat zu verstehen.

Ich habe bisher noch nie öffentlich und formal übersetzt. Nachdem ich mich von meiner Nervosität gelöst hatte und mich ganz auf Rosa zu fokussieren begann, erlebte ich eine unglaubliche Resonanz. Das was Rosa auf Englisch sagte, kam aus mir wie selbstverständlich auf Deutsch. Ich musste (fast) nicht über die Vokabeln nachdenken, sondern "einfach nur verstehen" und aussprechen.

Vermutlich waren nur wenige Menschen an diesem Abend anwesend, die Rosa nicht auch auf Englisch verstanden haben. Die "Übersetzungspausen" hatten aber noch eine andere Wirkung:
Durch die Unterbrechung und Wiederholung konnte das Gehörte mehr Raum gewinnen, konnte seine Wirkung besser entfalten, war Zeit, um die Worte wirklich aufzunehmen. So entstand ein Tiefe, die ich sonst bei einem Vortrag selten erlebe.

Für mich war das mehr als eine Bestätigung meiner Englischkenntnisse - ich durfte erleben was Zuhören tatsächlich bedeutet: sich ganz dem anderen ganz hinzugeben, um zu verstehen, was er oder sie sagt.
Ich bin dankbar für dieses wunderbare Geschenk!

10. Juli 2025

"Wer sich heute nicht ab und zu unsicher fühlt, der ist nicht professionell".

Dieser Satz von Dr. Melanie Wolfers, Keynote-Speakerin beim 1. LEADERS-IN-DIALOGUE der beiden wunderbaren Frauen von all-dimensions Franziska Gottschalk und Myriam Mathys, hat bei den rund 30 anwesenden Führungskräften mit Sicherheit den größten Eindruck gemacht.

Sich unsicher zu fühlen wird normalerweise nicht als Kernkompetenz einer Führungskraft gesehen, im Gegenteil: müssen Führungskräfte nicht absolut sicher sein in dem was sie tun? Sind sie nicht die Besten in Ihrem Fach und wissen es auch besser als ihre Untergebenen. Haben Sie nicht die Erfahrung und das Knowhow, um den Mitarbeitenden Sicherheit zu geben in dem, was diese tun müssen?

Wir mögen Unsicherheit nicht, denn wir verknüpfen sie mit Angst, einem unangenehmen Gefühl, das lähmt und mich in meinem Handlungsspielraum einschränkt. Angst ist eines unserer Urgefühle und wirkt direkt im limbischen System - unserem Steinzeitgehirn. Es kennt nur drei Handlungsmöglichkeiten - fight, flight oder freeze - und wir haben dabei nur sehr eingeschränktes Mitspracherecht, schließlich geht es um unser Überleben im Angesicht des Säbelzahntigers.

Im Unterschied dazu ist Unsicherheit viel partizipativer, denn sie sagt mir: Achtung! Hier passiert etwas Unvorhergesehenes! Meine Routinen bzw. bisherigen Handlungsstrategien sind u.U. nicht mehr passend. Mach langsam und berate dich mal, wie du mit der neuen Situation am besten umgehen kannst.

Kann ich das als Führungskraft sagen? Darf ich das?

Wenn ich mit einer Gruppe eine Bergtour im Gebirge mache und wir die falsche Abzweigung genommen haben, weil sich das Gelände z.B. durch einen Erdrutsch verändert hat, die Wegmarkierungen fehlen: würde ich da von einem Bergführer nicht erwarten, dass er innehält und überprüft, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind? Ich würde sogar von ihm erwarten, dass er sich der Unsicherheit bewusst ist, die durch das veränderte Gelände entstanden ist, denn ein unreflektierter, von sich selbst und seiner unbestrittenen Kompetenz überzeugter Bergführer würde die Gruppe u.U. ins Verderbern führen.

Unsicherheit wahrzunehmen wird da zur Kompetenz, wo sich die Verhältnisse so verändert haben, dass bekanntes Wissen und Routine nicht mehr greifen; sie wird zur Unsicherheitskompetenz.

Als Führungskraft Unsicherheit als Kompetenz zu sehen, kann die Rettung sein: für mich und mein Team. Sie lädt ein, innezuhalten, das Gelände wahrzunehmen und sich zu vergewissern ob wir auf dem richtigen Weg sind. Und wenn ich die Erfahrung und Kompetenz der Gruppe in die Beurteilung der Situation mit einbeziehe, können wir in Umbruch und Wandel gemeinsam einen neuen Weg finden.
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